(041) Titelblatt aus: Carceri d' invenzione ...

Beteiligte

Giovanni Battista Piranesi

Datierung

1761 (nach 1800) Originalentwurf
1830er Jahre Abzug

Geographischer Bezug

Bez.: u. r. signiert Ausgabe

Material / Technik

Radierung mit Kupferstich

Maße

54,4 x 41,5 cm (Platten- / Stockmaß)

Signatur / Marke

Rom

Erwerb

Erworben aus Privatbesitz, 1912.

Inventarnummer

G 4469 GF Teil 8 (6) WE 26

Standort

Ausstellung Antike bis Historismus > Raum 24 Piranesi

Schlagwortkette

Architektur; Fantasie

Sammlung

Druckgrafik

1761 erschien die stark überarbeitete zweite Fassung von Giovanni Battista Piranesis Kerkern. Die erste Bearbeitung von 1750 bewegte sich noch innerhalb der verbreiteten Architekturfantasien, mit der Piranesi insbesondere aus seiner Heimatstadt Venedig vertraut war. Passend zu ihrer spielerischen Leichtigkeit und der klaren Strichführung erhielten die ersten 14 Radierungen den Titel „Invenzioni Caprici di Carceri“ (launige Erfindungen von Kerkern). Für die zweite Fassung „Carceri d’invenzione“ (erfundene Kerker) griff Piranesi stärker auf Schraffuren zurück und sorgte durch das verdichtete Strichbild für eine unheimliche Stimmung. Die unübersichtlichen Räume und labyrinthischen Gänge, die der ersten Fassung ihren spielerischen Charakter verliehen, erscheinen nun in der zweiten Ausgabe beklemmend und bedrohlich. Die Türme, Treppen, Brücken und Wände erzeugen nicht das Bild eines funktionierenden Gefängnisses, denn es fehlen klare Abgrenzungen. Hierzu kommt, dass der geschickte Einsatz von Perspektivbrüchen und Verkürzungen visuell einen intakten Raum entstehen lässt. Bei genauerer Betrachtung jedoch offenbart sich, dass das Gebäude ein Fantasiegebilde ist und so nicht existieren könnte. Durch die Hinzunahme von Folterinstrumenten wie einer Streckbank, schwerer Ketten oder eines Folterrads erinnern die Blätter an Verliese oder Marterkammern. Die kleinen schemenhaften Staffagefiguren lassen den Kerker zudem wie einen monumentalen Irrgarten erscheinen. So schauen auch die Betrachterinnen und Betrachter aus der Froschperspektive in einen verschachtelten Raum, der sich durch Bögen und Rundgewölbe scheinbar ins Unendliche erstreckt.

Karoline Schliemann, 20.12.2023
---
Dieser Text entstand im Rahmen des Museumsjubiläums 2024. Für das Projekt „150 Jahre 150 Objekte“ in der Sammlung Online wurden Leipzigerinnen und Leipziger nach ihrem Blick auf die Sammlung gefragt:

Hinter dem Trevi-Brunnen in Rom befindet sich ein ganz besonderer Ort für Grafikliebhaber: L’Istituto centrale per la grafica – das italienische Zentralinstitut für Grafik. Hier kann man Ausstellungen besuchen, sich Zeichnungen und Grafik vorlegen lassen und Druckern über die Schulter schauen. Im Keller findet sich mit der weltweit größten Sammlung an Druckplatten der eigentliche Schatz. 24.000 Platten aus dem 16. Jahrhundert bis heute. Von Marcantonio Raimondi (um 1475-um 1534) bis Giorgio Morandi (1890-1964). Mittendrin, sorgsam in einen der unscheinbaren Schränke verwahrt, die Platten mit Architekturfantasien von Giovanni Battista Piranesi (1720-1778).
Fast skulptural hat sich die Säure in verschiedenen Tiefen in die Kupferplatte gefressen, definiert theatralische Brücken und dornenbesetzte Balken, auf einem Mauervorsprung sitzt ein an dicken Eisenketten gefesselter Mann, der mit schreckensweiten Augen den Betrachtenden seine Verzweiflung zuschreit. An anderen Stellen unterbrechen nur zarte Kupferstichlinien die polierte Platte: „CARCERI D' INVENZIONE DI G. BATTISTA PIRANESI ARCHIT VENE“ steht mittig auf einer Steinwand - KERKER DER ERFINDUNG VON G. BATTISTA PIRANESI VENEZIANISCHER ARCHITEKT. Hier wird die dramatische Dreidimensionalität besonders greifbar, die die Anziehungskraft der grafischen Arbeiten Piranesis weltweit ausmacht. So auch im GRASSI Museum für Angewandte Kunst.

Dr. Ulrike Brinkmann, 46, Kunsthistorikerin

Ähnliche Objekte

03027966-ba70-4f03-bfdf-203a409318ea Architektur; Fantasie Zeichnung, Buch, Einband, Druckgrafik und Typographie Druckgrafik Piranesi, Giovanni Battista 1758