Unbekannt
Tiefe Schale
Ming-Dynastie, Wanli-Periode (1573-1620)
Bernard Palissy Ausführung
Letztes Drittel 16. Jh. Ausführung
Frankreich Ausführungsort
Hafnerware, polychrom glasiert
26 cm (Höhe)
33 cm (Länge)
ohne Bezeichnung
Ankauf aus der Sammlung John Benary, Erfurt, 1894.
1982.120
Ausstellung Antike bis Historismus > Raum 9 Renaissance: Nördlich der Alpen
Bernard Palissy, Kunsttöpfer, Architekt und Theoretiker, war berühmt für seine farbenreichen Geschirre, die er „rustiques figu-lines“ nannte. Diese Arbeiten – meist Platten und Schalen – waren mit Naturabgüssen von Schlangen, Fröschen, Eidechsen, Fischen und anderen Tieren bzw. Pflanzen verziert. Vergleichbare Werke in Edelmetall und Bronze entstanden gleichzeitig im Kreis der Nürnberger Goldschmiede um Wenzel Jamnitzer. Die „plats rustique“, die im 16. und 17. Jahrhundert nach des Meisters Tod weiter hergestellt wurden, sind von den zu Lebzeiten Palissys entstandenen Stücken kaum sicher zu unterscheiden.
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Dieser Text entstand im Rahmen des Museumsjubiläums 2024. Für das Projekt „150 Jahre 150 Objekte“ in der Sammlung Online wurden Leipzigerinnen und Leipziger nach ihrem Blick auf die Sammlung gefragt:
“Schale mit naturalistischem Reliefschmuck” – Eine reichlich nüchterne Beschreibung, welche der Bedeutung der Werke Palissys nicht ansatzweise gerecht wird. Aber sehen wir einmal davon ab, ihn als den standfesten und unbeugsamen Verfechter empirischer Methoden in der Wissenschaft zu betrachten und durch seine Werke, quasi im Tarnmodus eines Keramikers, die Entlarvung der mystischen mittelalterlichen Metaphysik zu ebnen. Ignorieren wir also, dass er, wenngleich auch nicht durch Zeitgenossen wahrgenommen, im Kern eigentlich ein echter Naturwissenschaftler war, der bereits im 16. Jahrhundert neben zahlreichen weiteren bahnbrechenden Beobachtungen unter anderem auch als einer der ersten Menschen für die exakte Beschreibung des Wasserkreislaufes auf unserem Planeten verantwortlich zeichnet und sich dem durch die Kirche vertretenen schöpferischen Akt geradezu ketzerisch mit Erkenntnisgewinn durch objektive Beobachtung und logischem Schluss entgegen stellte. Schenken wir also arg despektierlich den detailierten, mit geradezu präparatorischer Genauigkeit vorgenommenen Abgüssen und anatomisch korrekten Formungen von allerlei Pflanzen und Getier keine größere Aufmerksamkeit, so stellt sich ganz banal die Frage: Wie schmeckt eigentlich das Frükstücksmüsli, wenn einem nach dem dritten Löffel plötzlich und ganz unverblümt eine Eidechse aus der Milch anblinzelt? – Einfach palissysch!
Prof. Dr. Ronny Maik Leder, Direktor Naturkundemuseum Leipzig
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