© GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Leipzig.
4 Teile aus dem Tafelservice "Eckform" mit Maßwerk-Dekor (1 ovale Anbietplatte, 1 runde Anbietplatte, 1 Speiseteller, 1 Terrine ohne Deckel.)
Beteiligte
Ferdinand Selle Porzellan-Manufaktur Burgau a.S. Ausführung
Ferdinand Selle Entwurf
Datierung
um 1905 Ausführung
Geographischer Bezug
Burgau-Göschwitz bei Jena Ausführungsort
Maße
Signatur / Marke
Auf den Bodenunterseite grüne Aufglasurstempel: Firmenmarke
Erwerb
Ankauf aus Privatbesitz, Leipzig, 1970
Inventarnummer
1970.62 a-d
Standort
Aktuell nicht ausgestellt
Objektsystematik
Schlagwortkette
Essen; Essgeschirr; Jugendstil
Sammlung
Kunsthandwerk und Design ab Historismus
Ferdinand Bruno Selle (1824-1901) eröffnete Mitte des 19. Jahrhunderts in der Leipziger Petersstraße ein Warenhaus für Keramiken und Porzellane aller Art. Bis zur Jahrhundertwende stieg es zu einem erfolgreichen Kaufhaus auf, dessen Angebot in zahlreichen Werbeanzeigen in den regionalen Zeitungen zu finden war.
Die Firma "F.B. Selle" ging Anfang des 20. Jahrhunderts auf drei Neffen des Gründers über. Besonders der jüngste der Brüder, Ferdinand (Reinhold Otto, 1862-1907) stach durch seine künstlerischen Ambitionen heraus. Vermutlich seit den 1890er Jahren fertigte er Entwürfe für Keramiken, die in der traditionellen Töpferstadt Bürgel (Thüringen) umgesetzt wurden. Für die Porzellanmanufaktur Nymphenburg gestaltete er ein Speiseservice. 1901 gründete Ferdinand Selle eine eigene Manufaktur unweit von Jena in Burgau an der Saale. Die Produktion begann im darauffolgendem Jahr. Die meisten Entwürfe stammten vom Firmengründer selbst, darüber hinaus lieferten ihm namhafte Künstler der Zeit, 1906 etwa Henry van de Velde (1863-1957) oder Albin Müller (1853-1909) - dessen Porzellane aus dem Hause Selle wurden 1910 bei der Weltausstellung in Brüssel mit einer Medaille ausgezeichnet. 1908 tritt Selle dem Werkbund bei.
Die Burgauer Waren wurden u.a. in der Leipziger Niederlassung vertrieben. Insgesamt standen 157 Dekorvarianten auf knapp 20 Modellen zur Auswahl. Das Kaufhaus etablierte sich in der Zeit des Jugendstils als erste Adresse für hochwertige Porzellane unterschiedlicher Marken, darunter Nymphenburg, Meissen oder der KPM (Königliche Porzellanmanufaktur Berlin). Später wurde das Sortiment auch auf andere Luxusobjekte ausgeweitet.
1915 stirbt Ferdinand Selle unerwartet. Zunächst läuft die Produktion weiter, doch mit der Weltwirtschaftskrise wurde die Firma aufgelöst. Auch das Warenhaus in der Petersstraße existiert heute nicht mehr: Es bestand nur bis 1913.