Unbekannt
Tasse mit Untertasse
um 1820
Porzellan-Manufaktur Ilmenau
um 1830 Ausführung
Ilmenau (?) Herstellungsort
Porzellan, polychrome Bemalung, teilweise vergoldet
Tasse 7,4 cm (Höhe)
Untertasse 15 cm (Durchmesser)
Unterglasurblaue Strichmarke. Auf der Untertasse eingeprägt: "S 43"
Schenkung aus der Slg. Karl von Kaweczynski, Leipzig, 1929
1929.131 a,b
Ausstellung Antike bis Historismus > Raum 28 Klassizismus: Empire, Eisenkunstguss
Hausrat > Trinkgefäß > Tasse
Frau; Porträt; Rankendekor; Rankenwerk; Service (Essgeschirr); Trinkgefäß
Mit leuchtend bunten Blumen – dem eigentlichen Ornament des Biedermeier – und einem Mädchenporträt in gedämpften Farben geschmückt, kennzeichnen die abgebildeten Tassen eine Stilperiode, der viel kleinbürgerliche Beschaulichkeit und die Liebe zum lebensecht gesehenen Detail eigen war. Obwohl verschiedene, an der Antike orientierte klassizistische Ornamentformen und Gestaltungselemente im Kunsthandwerk des Biedermeier weiterleben, setzt sich im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts eine unpathetische Gelöstheit, eine weich geschwungene Linienführung durch. Die vom Empire eingeleitete reiche Farbigkeit wird auf intimere und natürliche Weise fortgeführt.
Unter den verstärkt hervorgetretenen Einzelstücken – wie Vasen und Ziertellern – zeigt das am besten die Fülle unterschiedlicher Tassen, die nie einem Ensemble angehört haben. Hauptsächlich als liebevoll aufbewahrte Andenken gaben sie in den schlicht, aber freundlich und praktisch eingerichteten Biedermeierräumen (zusammen mit den farbigen Glasbechern, -schalen und Flakons) einen prächtigen Vitrinen- und Servantenschmuck ab. Viele wurden zu Taufen, Geburtstagen oder anderen festlichen Ereignissen überreicht. Sie tragen Sinnsprüche und empfindsame persönliche Widmungen und Wünsche.
Ihr wenig einheitliches Bild ging aber auch auf die schon um 1800 verbreitete englische Sitte zurück, bei der Kaffee- oder Teegesellschaften jeden Besucher individuell zu bedienen. Die dafür vorgesehenen „Sammeltassen“ wandelten sich von den anfangs zurückhaltend bemalten, einfachen klassizistischen Formen des „Antique glatt“ und „Konisch glatt“ zu immer aufwendigeren Schauobjekten, deren Dekor auch im Biedermeier zuweilen den Anschein eines noch wertvolleren Materials, als es das Porzellan ist, erweckte (Gold- und Steineffekte, Gemäldekopien).
In der „Hoch-Zeit“ um 1830 finden wir Glockenbecher mit Schwanenhenkeln und abgesetztem Fuß, trompetenartig geschweifte Stücke mit Volutenhenkeln und Löwenklauenfüßen, kelchförmige Tassen mit Campanerhenkeln auf vergoldeter Kugelleibung und eine unerschöpfliche malerische Fantasie. Neben miniaturhaft feinen Landschafts- oder Architekturansichten erfreuten sich Blumen- und Pflanzenarrangements (mit dem von Meißen 1817 eingeführten Weinlaubmuster in Unterglasur-Chromoxidgrün) außerordentlicher Beliebtheit. Besonders geschätzt waren auch Bildnisse, mythologische und Genre-Szenen, romatische Sujets sowie Allegorien von Glück, Gesundheit, Liebe und Freundschaft. In den restaurativen Jahrzehnten zwischen 1815 und dem Vorabend der 48er Revolution spiegeln die deutschen und österreichischen Porzellane etwas von einem verinnerlichten Lebensgefühl und dem Rückzug des politisch entmündigten Bürgers in die äußere Begrenzung des Familien- und Freundeskreises.
(Text von: Dipl. phil. D. Gielke Januar 1984)
mehr lesen weniger lesen