Dieser Text entstand im Rahmen des Museumsjubiläums 2024. Für das Projekt „150 Jahre 150 Objekte“ in der Sammlung Online wurden Leipzigerinnen und Leipziger nach ihrem Blick auf die Sammlung gefragt:

Als Ende der 1960er Jahre der VE Wissenschaftliche Betrieb Keramik Meißen seine hier entwickelte neuartige Keramik „Sintolan“ vermeldete, hatte er damit einen Wunsch des VEB Porzellanwerk Annaburg erfüllt. Sintolan sollte als „Halbporzellan“ mit seinen robusten Eigenschaften den Spagat leisten zwischen stoßempfindlicher Keramik und dem hartgesotteneren Porzellan. Nicht zuletzt der staatliche Außenhandel lauerte darauf, denn auf dem Weltmarkt gab es bereits erfolgreich konkurrierende ähnliche neue Tafelgeschirre. Das Erzeugnis aus der DDR erwies sich nun zwar als ebenso gebrauchstüchtig, ließ jedoch in seinen traditionellen Formen und meist braunen Hochglanz-Glasuren bei der Kundschaft Zurückhaltung aufkommen. Auch vom Hersteller unternommene farbige Dekor-Aufhübschungen halfen wenig. Neues Material, neue Funktionalität und Design befanden sich nicht im Übereinklang.
Der ideen- und erfahrungsreiche Porzellanschöpfer Wilfried Kühn (1932–1988) reagierte als Leiter der Abteilung „Künstlerische Gestaltung“ in dem Meißener Keramik-Betrieb 1970 mit einem wahrhaftig kühnen Kaffeegedeck-Entwurf: Sein „Onyx“ war das erste Service, das mit modernen formgestalterischen Akzenten aus dem Sintolan-Angebot herausragte. Die handfeste wie auch gediegene Harmonie ausstrahlende Erscheinung in mattglänzendem Kaffeebraun sendete mit ihren kräftigen Farb-Akzenten ein Signal für neue Tischkultur.


Günter Höhne, 81, Designpublizist