(67) Wandteppich "Die Blumenstadt Erfurt"
Beteiligte
Grete Reichardt Entwurf
Wagner & Reichardt Ausführung
Datierung
1939 Ausführung
Geographischer Bezug
Erfurt Ausführungsort
Material / Technik
Wolle; Wirkerei
Maße
235 cm (Höhe)
147 cm (Breite)
Signatur / Marke
signiert u. r.: RW
Erwerb
Ankauf anlässlich der Herbstmesse 1939 von der Handweberei Wagner - Reichardt, Erfurt, 1939
Inventarnummer
1939.31
Standort
Aktuell nicht ausgestellt
Objektsystematik
Schlagwortkette
Blume; Landschaft; Stadt; Wappen
Sammlung
Europa (Textilien und Mode)
Dieser Text entstand im Rahmen des Museumsjubiläums 2024. Für das Projekt „150 Jahre 150 Objekte“ in der Sammlung Online wurden Leipzigerinnen und Leipziger nach ihrem Blick auf die Sammlung gefragt:
Ich bin in Apolda geboren, einer Stadt mit großer Textiltradition. Meine Urgroßmutter betrieb eine Strumpfstrickerei. Von Apolda aus gelangt man schnell nach Erfurt, der Stadt der großen Gartenschauen, wo Grete Reichardt lebte und arbeitete. Ihr Wandteppich ist der „Blumenstadt Erfurt“ gewidmet. Diesen Beinamen trägt Erfurt heute wieder mit Stolz.
Grete Reichardt war im Jahr 1939 noch jung und zugleich schon sehr erfahren. Sie gewann mit ihren Entwürfen auf internationalen Messen Preise und Medaillen. Die Meisterin hat diesen Wandteppich direkt auf dem Webstuhl hergestellt. Sie hat viele ihrer Werke auf Grundlage einer Skizze im Prozess gestaltet. Das finde ich sehr beeindruckend.
Der Blick führt über die Felder zur mittelalterlichen Stadt mit ihrem berühmten Dom und vielen Kirchtürmen, in der Ferne der Thüringer Wald. Ein blaues Feld ist zu sehen. Erst vermutete ich, dass es sich um Waid (Isatis Tinctoria), dessen Blüten als blauer Farbstoff dienten und die Weberei in Erfurt beflügelten. Mein Bruder als Kunsthistoriker und Erfurter wusste es besser: Waid blüht gelb, die Blätter geben bei der Fermentierung einen Farbstoff ab, der zunächst grün färbt. Erst wenn die Stoffe durch Sonnenlicht bestrahlt werden, erscheint das Blau. Daher auch: Blaumachen, nach dem Färben wurde „blau gemacht“. Also ist es vielleicht eine andere blau blühende Pflanzensorte, vielleicht Lein. Jedenfalls: Waid machte Erfurt so reich, dass eine Universität gegründet werden konnte.
Textilhandwerk ist etwas Wunderbares. Ob Stricken, Spinnen oder Weben, für mich ist jede Technik ebenso meditativ wie kreativ. Ich liebe die Vielfalt von Fasern mit ihrer speziellen Haptik und dem ihnen eigenen Geruch. Ob Baumwolle oder Schaf, Kaninchen oder Yak. Und schließlich: Jedes Unikat ist ein Geschenk - ob an liebe Mitmenschen oder eine Stadt wie Erfurt.
Angelika Kell, 58, Geschäftsführende Vorständin der Stiftung Bürger für Leipzig