(002) Kaminbehang, sogenannter Umlauf
Beteiligte
kein Eintrag
Datierung
1571 Ausführung
Geographischer Bezug
süddeutsch (?) Herkunft (Allgemein)
Material / Technik
Leinen, Seide, Metallfäden, Holz, Papier, Metallteile; Reliefstickerei
Maße
40 cm (Höhe)
284 cm (Breite)
Erwerb
Aus dem Leipziger Alten Rathaus. 1875 übernommen.
Inventarnummer
V466
Standort
Ausstellung Antike bis Historismus > Raum 10 Renaissacne: Aus dem Leipziger Stadtschatz
Objektsystematik
Schlagwortkette
Kamin; Stickerei
Sammlung
Textilien und Mode
Dieser Text entstand im Rahmen des Museumsjubiläums 2024. Für das Projekt „150 Jahre 150 Objekte“ in der Sammlung Online wurden Leipzigerinnen und Leipziger nach ihrem Blick auf die Sammlung gefragt:
Der Deutsche vor dem Spiegel
So stand nun der Bürgermeister 1571 seinem Geschenk aus Süddeutschland gegenüber. Er blickte sich im Spiegel an und betrachtete die teure
Bekleidung. Die feine Seide aus dem Orient, das schwarze perlenbesetzte Barett, der weite Rock der Welschen und der lange bunt bestickte Mantel sahen aus wie die Figuren auf dem Behang. Nun fehlte ihm nur noch die Lanze des Schweizers. Er sah nicht sich selbst, sondern eine Anhäufung von Klischees; eine Mischung fremder Sitten und Kulturen. Wie konnten die feinen Herren der Gesellschaft nur so herumlaufen? Kleidung sollte doch einen ganz anderen Zweck erfüllen. Er war müde von seiner repräsentativen Rolle und wollte nur noch in seine warme Stube vor den Kamin, um endlich diese unbequemen Kleidungsstücke auszuziehen. Dann fiel sein Blick auf ein Familienporträt und er besann sich seiner Herkunft. Er entstammte einer Familie von Tuchhändlern. Noch gut konnte er sich daran erinnern, wie er mit seinem Vater die weichen Stoffe auswählte und den Schäfern beim Scheren zusah.
Am Nachmittag fragte er die Nonnen im Kloster, ob sie ihm eine warme Jacke mit typischen Motiven aus der Heimat nähen könnten. Diese wollte er von nun an als eine Ode an das Kunsthandwerk tragen.
Blanca König, 24, Studentin
Allgemeine Objektinformationen
Die neun Figuren dieser Stickerei repräsentieren jeweils eine damals bekannte Nation in der landestypischen Kleidung. Nur der Deutsche am rechten Rand trägt nichts als ein Bündel bunter Stoffe über dem Arm, weil er sich für keinen Modestil entscheiden kann. In Inschriften werden diese Figuren spöttisch erläutert. Im 16. Jahrhundert prangerte man mit Figurenreihen wie dieser den übermäßigen Kleiderluxus und die Übernahme fremder Sitten an.
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Inschriften in den Bildfeldern (von links nach rechts):
DER WEISE MOR BIN ICH VOR OGEN
ALLE INSULEN BIN ICH DURCH ZOGEN
MIT MEINEM PFEIL UND BOGEN IN MEINER HANT
SO BIN ICH DER UNGER GEANT (in dieser Zeile Datierung 1571)
AN MEINER KLEIDUNG WOL BEKANNT
DURCH DEUTSCH UND WELSCH LANT
SO BIN ICH DER ZIGEUNER VOR HANT
DEN DEUTSCHEN NIHT BEKAT ALS VOE IAREN
DA SIE AN UNS KEIN GELT DETEN SPARENN
EIN WELSCHER BIN ICH BEI ZIMLICHEN IAREN
UND BIN VON WELSCHEN GENOMENN
TRAG KLEIDUNG VON UNSEREM HERKOMEN
SO BIN ICH VON SCHWARTZEN MORE GENOM
KEIN KLEIDUNG DRAG ICH IN MEINEM LANT
VON DER SONNEN HITZ DIE MICH VORBRANT
ICH BIN FRANTZOSE WOL BEKANNT
MEINEM HERRN DEM DIENE ICH
BEI MEINER KLEIDUNG BLEIBE ICH
EINEN LANGEN SPIES FUR ICH VOR MICH
EIN SCHWEITZER UND TREUER HELT
MEINE KLEIDUNG MIR ALSO WOL GEFELT
SO BIN ICH DER TURK GEZELT
KOMBT EIN CHRIST IN MEINE HANT
ER MUS MIR LASEN EIN TEUERS PFANT
SO BIN ICH DER HOHE DEUTSCHE GENANT
ALLER NATION KLEIDUNG GEFÄLLT MIR WOL
WEIS DOCH NICHT WIE ICHS MACHEN SOL
MIR DOCH EINE BAS DAN DIE ANDER GEFELT
DAMIT ICH EIN ANSEHEN HAB ALS EIN HELT
SO WILL ICH HIN ZUM WERCKMAN GAN
UND IHM DIE SACH SELBER ZEIGEN AN
Inschrift am unteren Rand:
SO SCHAU NUN DISE BILTNUS AN + WIE SELTZAM ES IN DER WELT TUT STAN + MIT DER KLEIDUNG DURCH ALLE LANT + HELT SICH AUCH NIEMANT NACH SENEM STANT + DANN ES VOR ALTERS SO NICHT GEWEST IST + WIE MAN IN ALLEN HISTORIEN LIEST