Unbekannt
Halterungen für Türgriffstangen
1920er Jahre
Glasraffinerie Steinschönau Ausführung
um 1922 Ausführung
Steinschönau, Nordböhmen Ausführungsort
Glas, formgeblasen, geschnitten, Gold- und Silberauflage
31,0 cm (Höhe)
13,5 cm (Durchmesser)
Erworben im Staatl. Kunsthandel, Halle, 1969
1969.161
Ausstellung Jugendstil bis Gegenwart > Obergeschoss > Art déco
Hausrat > Trinkgefäß > Becher > Pokal
Schwer und kostbar wie ein geschliffener Edelstein bietet sich dieser starkwandige kobaltblaue Hüttenglas-Pokal dar, der zu Beginn der zwanziger Jahre in einem der alten böhmischen Glasmacherzentren, wahrscheinlich in Steinschönau, entstanden ist. Im Gegensatz zu den vom Deutschen oder Österreichischen Werkbund verfochtenen Prinzipien der materialgerechten Funktionstüchtigkeit industriemäßig hergestellter und preisgünstiger Serienprodukte vertritt er den sich allgemein ausbreitenden dekorativen Luxusstil, der nach den Entbehrungen des 1. Weltkrieges ein gewisses Nachholebedürfnis befriedigte und um 1925 seinen Höhepunkt erreichte. Damit rückte das aufwendige Einzelstück bzw. die kleine Serie wiederum in den Vordergrund des Interesses. Die Richtung ist als Spätblüte bürgerlich-repräsentativer Eleganz und Genußfreudigkeit zu verstehen, als eine Art fiebrigen Tanzes auf dem Vulkan, für den die springenden und stürzenden Harlekinsfiguren auf der tonnenförmigen Kuppa des Pokals geradezu symptomatisch sind und der mit der großen Ernüchterung der Weltwirtschaftskrise um 1928 seinen Abschluss fand. Charakteristisch für jene Jahre sind auch die bizarre, rhythmisierte Eckigkeit der reliefartig geschnittenen und vergoldeten Ornamente und rahmenden Linien, die tiefen und gegenläufigen Kerbschliffe am Schaft, mit denen der frühere, im Jugendstil besonders ausgeprägte Einklang von Gefäßform und Dekor expressiv durchbrochen wird.