Armschmuck "Rokkasho"

Beteiligte

Svenja John

Datierung

2017

Geographischer Bezug

Berlin Ausführungsort

Material / Technik

Polycarbonat, Nylon, Acrylfarbe; Wasserstrahltechnik, 3D-Print

Maße

9 cm (Durchmesser)
7 cm (Höhe)

Erwerb

Erworben mit Unterstützung des Freundeskreises GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Grassimesse 2017

Inventarnummer

2017.763

Standort

Ausstellung Jugendstil bis Gegenwart > Erdgeschoss > 1970er Jahre bis Gegenwart

Objektsystematik

Schmuck > Armschmuck

Schlagwortkette

Grassimesse; Schmuck

Sammlung

Kunsthandwerk und Design ab Historismus

Im Jahr 2017, der Zeit der Entstehung des Objekts von Svenja John, wurden rund 349 Millionen Tonnen Kunststoff weltweit hergestellt und gesellten sich zu den zwischen 2007 und 2017 entstandene Mengen von rund 2,8 Mrd. Tonnen (inzwischen sind es weit über 6 Mrd. Tonnen). Verschwindend wenig davon dürfte für die Kunstproduktion verwendet worden sein und nur homöopathische Dosen der höchsten Verdünnungsstufen für Autorenschmuck. Svenja John gehört zu den wenigen Künstler*innen, die in ihrem Werk ausschließlich Kunststoffe einsetzen. Für dieses moderne Material ohne lange Materialgeschichte konnte sich eine Art historische „Material-Ikonografie“, wie bei anderen für Schmuck genutzten Materialien, etwa Gold, Silber, Emaille oder vielen Schmucksteinen, noch nicht entwickeln. Dennoch sind Svenja John´s Arbeiten absolut materialgerecht, denn sie spielen virtuos mit zentralen Eigenschaften des „neuen“ Materials Kunststoff. Es handelt sich dabei um ein Spiel mit den vielfältigen Eigenschaften der Kunststoffe: die Elastizität, die nahezu beliebige Möglichkeit der Einfärbung, die Optionen von opakem oder transparentem Erscheinungsbild, das geringe Gewicht sowie die vergleichsweise geringen Materialkosten. Würde man nach einer Leitmetapher für diese Stoffgruppe suchen, wäre dies aufgrund der genannten Eigenschaften die Serie. Es handelt sich dabei um den Kontext, in dem Kunststoffe entstanden sind, und in dem Kunststoffe als perfektes Material der Massenfertigung stehen. Bei John erfolgt der Zugriff auf das Material nicht aus der Opposition gegen den Materialwert, der bei Edelmetallschmuck dem Kunstwert häufig in Konkurrenz entgegensteht, sondern ist konzeptioneller Natur und beschäftigt sich mit einem anderen Wert der Kunststoffe, nämlich dem Wert, der im Potential zur seriellen Vervielfältigung liegt. So besteht das künstlerische Konzept von John im ersten Blick in der Entwicklung einer Welt verschiedenfarbiger Formelemente aus Kunststoffen, die beruhend auf komplizierten und ungewöhnlichen Verbindungsvarianten - immer mit dem Potential der beliebigen Erweiterung - zusammenfügbar sind.
Phänotypisch schließen ihre Arbeiten an eine Tradition voluminösen Schmucks an, die sich in Europa in den volkstümlichen Bereichen des großvolumigen Trachtenschmucks, aber auch im indischen oder orientalischen Halsschmuck finden lässt. Es handelt sich bei diesen Beispielen jedoch meist um mit Ösenverbindungen aneinander verkettete kleinteilige flächige oder plastische Schmuckelemente. Aufgrund des Materials weitet sich bei den Arbeiten John´s der Kontext jedoch erheblich: Die Prinzipien der in ihrer Arbeit vorkommenden Verbindungstechniken lassen sich bei einer Vielzahl alltäglich genutzter technischer Geräte finden. Allerdings sind solche Verbindungstechniken überwiegend unter der Oberfläche der Gehäuse versteckt. Die aus Kunststoff bestehenden Gehäuseschalen nutzen die elastischen-federnden Eigenschaften des Materials aus und ermöglichen durch das Prinzip der Steck- oder Schnappverbindung das schnelle und dennoch haltbare Zusammenfügen der formgebenden Einzelelemente von Mixern, Bügeleisen, Telefonen oder anderen Geräten. Dabei tritt die Verbindungstechnik kaum in Erscheinung. Es handelt sich insofern um wesentliche Gestaltungselemente hinter den Außenflächen unserer Gebrauchsartikel. Die Verbindungen werden aus funktionalen Anlässen mitgestaltet und sind Bedingung, nicht aber Bestandteil der augenscheinlichen und damit äußerlichen Formästhetik. So bleiben sie üblicherweise unsichtbar. Mit ihrer Arbeit holt Svenja John diese peripheren Formen aus den versteckten Zusammenhängen an die Oberfläche und erweitert sie mit eigenen Erfindungen. Es entstehen komplexe Formteile und originelle „zweckfreie“ Verbindungselemente aus farbigen Kunststoffen, deren Formlogik überwiegend auf dem Potenzial der nahezu beliebigen räumlichen Verkettung und der räumlichen Wucherung beruht. Wann ein solches Schmuckstück dann eigentlich „fertig“ ist, bleibt eine spannende Frage, die nur die Künstlerin beantworten kann.
Robert Wissmath

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