Giovanni Battista Piranesi (1720 - 1778)
Kaminumrahmung im ägyptisierenden Stil, Tafel 24 aus: Diverse maniere d’ adornare i cammini ...
1769
Giovanni Battista Piranesi
38,8 x 25,2 cm (Platten- / Stockmaß)
Erworben aus Privatbesitz, 1912.
G 4469 MF Teil 13 (1) WE 886
Ausstellung Antike bis Historismus > Raum 24 Piranesi
Ab Mitte der 1760er stellte Giovanni Battista Piranesi das Druckwerk „Diverse Maniere“ (verschiedene Arten) zusammen. Es handelt sich dabei um einen Band mit 68 Radierungen beispielhafter Innendekoration und –architektur wie zum Beispiel Entwürfe für Kaminrahmungen, Spiegeleinlassungen, Uhren, Möbel oder Skulpturennischen.
Piranesis Ziel war es, ägyptische, etruskische, griechische und römische Zierelemente zu sammeln und als Vorlagen für das künstlerische Studium zu verbreiten. In seinem einführenden Text setzt er sich für die Vorzüge und den Einfluss der etruskischen und ägyptischen Kunst ein. Insbesondere mit zehn Darstellungen von pseudo-ägyptischen Kaminen wollte er seinen Standpunkt untermauern. Die klaren Schmuckbauten sind besetzt mit zahlreichen Mischwesen und Ornamenten. Er griff hierfür auf ägyptische oder ägyptisierende Statuen der Römer zurück und ließ zugleich seiner Fantasie freien Lauf. Hieroglyphen waren beispielsweise beim Erscheinen des Druckwerks noch nicht entziffert, so dass Piranesi diese als schmückende Ornament einsetzte, ohne ihre Bedeutung zu kennen. Die Monumentalität und die strengen archaischen Formen Spätägyptens reizten nicht nur Piranesi: 30 Jahre vor Napoleons Ägyptenfeldzug zeugen die Drucke von der Ägyptenbegeisterung, die bereits in den 1760er-Jahren Verbreitung fand.
Piranesis Anspruch an seine Zeitgenossen verlangte nach einer gleichwertigen Rezeption antiker Stile, in der nicht die griechische Kunst als überragenden Ideal inszeniert wurde. Manche Blätter zeigen nie umgesetzte Entwürfe, welche den Reichtum der Ornamente und die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten vorführen. Andere wiederum bilden ausgeführte Arbeiten Piranesis ab. Ein Kamin den der Künstler für den Neffen des Papstes, Kardinal Giovanni Battista Rezzonico, dem er das Druckwerk widmete, entworfen und ausgeführt hat, findet sich unter den Tafeln wieder. Antikenrezeption interpretierte Piranesi nicht nur als eine Gleichberechtigung etruskischer, ägyptischer, griechischer und römischer Formsprachen, sondern auch als den Ausgangspunkt für kreative Neuschöpfung durch die freie Nachahmung, Abwandlung und Fortentwicklung historischer Vorlagen. Ausgehend von seiner archäologischen Forschung, kombinierte Piranesi bei den Uhren, Tischen und Kommoden nicht nur bekannte Ornamente, Formen und Figuren, sondern entwarf neue antikisierende Silhouetten und Objekte, die klassizistischen Schönheitsidealen entsprachen. Für heute Betrachter wirkt die Zusammenstellung der fließenden Möbelformen und der geometrischen ägyptisierenden Kamine ungewohnt bizarr. Die „Diverse Maniere“ stechen unter seinen Arbeiten hervor, da sie als einziges Druckwerk explizit Innenausstattung thematisieren und mit eigenen Entwürfen Piranesis wie Vasen, Uhren und Kommoden die Formenvielfalt zelebrieren.
Karoline Schliemann, 20.12.2023
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