Schreibsekretär

Beteiligte

August Gey Werkstatt

Datierung

1840er Jahre

Geographischer Bezug

Leipzig Herstellungsort

Material / Technik

Korpus aus Nadelholz, große Schubkästen aus Eichenholz, kleine Schubkästen aus Pappel (oder Linde); Kuba-Mahagoni (Hauptfurnier), Birne (Schreibklappe Innenseite), Palisander (Schreibklappe Innenseite), Kirschbaum (herausziehbare Schreibunterlage), Ahorn (vermutlich) für Adern und Intarsien, Perlmutt (Schlüssellocheinlagen), Filz auf Schreibklappe (ergänzt), originale Schlösser aus Eisen, Stulpe aus Messing.

Maße

Signatur / Marke

Durch ein kleines Papieretikett (oberster Kasten im Schreibteil) ist dieser Schreibsekretär als Stück des Leipziger Bürgers, Tischlers und Tischlerinnungsmitglieds August Gey (1780-1851) ausgewiesen.

Erwerb

Erworben von Prof. Jochen Voigt, 2024

Inventarnummer

2024.34

Standort

Ausstellung Antike bis Historismus > Raum 29 Biedermeier

Objektsystematik

Möbel > Schreibmöbel > Sekretär

Schlagwortkette

Möbel

Sammlung

Europäisches Kunsthandwerk (Mittelalter bis Mitte 19. Jh.)

Durch ein kleines Papieretikett (oberster Kasten im Schreibteil) ist dieser Schreibsekretär als Stück des Leipziger Bürgers, Tischlers und Tischlerinnungsmitglieds August Gey ausgewiesen, dessen Haus Schrötergässchen Nr. 1 sowohl die Wohnung als auch die Werkstatt beherbergte (das Schrötergässchen in Leipzig führte seinen Namen bis 1880, dann wurde es zur Kurprinzstraße). Dort ist dieses Möbel entstanden. Bis zum Zweiten Weltkrieg existierte im Museum für Kunsthandwerk Leipzig ein fast identisches Stück, welches heute als Kriegsverlust gilt. Erworben wurde es vom Leipziger „Antiquar Gustav Werner“. Im Zweiten Weltkrieg lagerte man das Möbel nach Kohren-Sahlis aus, nach 1945 wurde es von einer sowjetischen Trophäenkommission Richtung Moskau abtransportiert. Im Museum sind noch Fotografien des Möbels erhalten.

Ein drittes, sehr ähnliches Stück wurde im internationalen Kunsthandel verkauft und ein viertes wurde dem Grassimuseum 1997 zum Kauf angeboten, weshalb man wohl davon ausgehen kann, dass August Gey mit diesem Entwurf ein erfolgreiches Modell kreiert hatte, das er mehrfach – in leichten Varianten – wiederholte und gut verkaufen konnte. Möglicherweise spielte dabei die Leipziger Messe eine Rolle.
Das Möbel ist weitgehend in altem Zustand erhalten, wurde also in den letzten 100 Jahren nicht überarbeitet bzw. restauriert. Die völlig verschlissene grüne Textilauflage der Schreibklappe wurde aus ästhetischen Gründen 2002 ergänzt. Ein Stück des Originalstoffes liegt dem Sekretär bei.

Der Tischler August Gey ist biografisch mit einem namhaften Schriftsteller verbunden, der als junger Mann nach Leipzig gekommen war: Wilhelm Wolfsohn (1820–1865). „Der wurde am 20. Oktober 1820 als Sohn einer verarmten, orthodoxen jüdischen Familie deutscher Herkunft in Odessa geboren. Dort besuchte er das jüdische Gymnasium und begann am 15. Dezember 1837 ein Medizinstudium in Leipzig. Des Weiteren besuchte er auch Veranstaltungen in klassischer Philosophie, Philologie und Geschichte. Erste Aufsätze publizierte Wolfsohn in der „Allgemeinen Zeitung des Judenthums“. Von 1840 bis 1841 erschienen in den Sammelbänden „Veilchen und Sternbilder“ Gedichte von Wolfsohn, allerdings unter seinem Pseudonym Carl Maien. Im Leipziger „Herwegh-Klub“ lernte er 1841 Theodor Fontane kennen, mit dem er sich anfreundete und dessen früher Förderer er wurde.“

Im Obergeschoss des Gey-Hauses bezog Wolfsohn im Frühling 1840 ein Studierstübchen, in dem auch Fontane mehrfach weilte. Eine Vorstellung von diesem Zimmer mit Möbeln im Biedermeierstil vermittelt ein Aquarell von David Ottensooser (1814–1862), das dieser 1843 vor Ort anfertigte. Es befindet sich heute im Jüdischen Museum in Berlin, denn Ottensooser war wie Wolfsohn ebenfalls jüdischer Abstammung. Wie Fontane besuchte er Wolfsohn in Geys Haus und vielleicht ist dort auch sein bekanntes Porträt-Aquarell von Fontane entstanden. Ob die Möblierung dieses Stübchens auch von Gey stammt, steht nicht fest, ist aber angesichts der Lage der Dinge wohl anzunehmen. Ottensooser ist ein weniger bekannter Maler, der an den Akademien von München und Dresden studiert und später eine kleine Porzellanfabrik eröffnet hat.

Fortan verband sich Wolfsohns Leben eng mit der Tischlerfamilie Gey, denn er verlobte sich 1840 mit der zweitältesten Tochter des Tischlers August Gey: Emilie Gey (1818–1894). Und er wurde von seinem Schwiegervater in spe sowie dessen Frau Friderike Gey, geb. Porstein (1791–1863) herzlich aufgenommen. „Erst Ende 1851 konnte er seine Verlobte im Herzogtum Anhalt-Dessau heiraten, wo er trotz fehlenden Emigrationsscheins die langersehnte Staatsbürgerschaft erhielt.“ In Dessau nahmen beide ihre Wohnung.

Jochen Voigt, Chemnitz

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