(129) Fruchtkorb „Wire Ball“
Beteiligte
Anna Lorenz
Datierung
2002 Entwurf
2002 Ausführung
Geographischer Bezug
Birmingham Ausführungsort
Material / Technik
Edelstahldraht; Silber, geschmiedet
Maße
38 cm (Durchmesser)
Signatur / Marke
Unbezeichnet
Erwerb
Schenkung des Freundeskreises GRASSI Museum für Angewandte Kunst e.V.,
Grassimesse 2003
Inventarnummer
2003.49
Standort
Ausstellung Jugendstil bis Gegenwart > Erdgeschoss > 1970er Jahre bis Gegenwart
Objektsystematik
Wenn es sich bei dieser grazil wirkenden Drahtkugel um einen Fruchtkorb handelt, wie kommen die Früchte in den Korb und wie wieder heraus? Die Funktion des „Wire Balls“ erschließt sich dem Nutzer erst, wenn er seine Scheu überwunden hat, die schmalen Drähte auseinanderzuziehen und hindurchzugreifen. Die deutsche Schmuckdesignerin und Silberschmiedin Anna Lorenz (*1967), die in England studierte und arbeitet, ließ sich bei der Gestaltung des ungewöhnlichen Behältnisses von zeitgenössischer Architektur inspirieren. Sie war dabei an der Beziehung zwischen Innen- und Außenraum interessiert. Nach einiger Zeit der Materialsuche entschied sich die Künstlerin für glänzenden Edelstahl, um die Kugel zu formen, und für Kontrast gebendes oxidiertes Silber, um sie zu rahmen. Die Kugel, die zarte Leichtigkeit ausstrahlt, fügt sich in den Raum und beschreibt ihn, ohne ihn vollkommen einzunehmen. Die leicht abstehenden Drähte, die wie selbstverständlich Teil der Umgebung werden, verwischen die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum.
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Dieser Text entstand im Rahmen des Museumsjubiläums 2024. Für das Projekt „150 Jahre 150 Objekte“ in der Sammlung Online wurden Leipzigerinnen und Leipziger nach ihrem Blick auf die Sammlung gefragt:
Eva und der Mond
Mama hat gesagt, ich darf den Apfel nicht essen. Das wollte ich gar nicht, doch jetzt hallen ihre Worte in meinem Kopf nach. Sie lassen mich nicht in Ruhe, nicht wegsehen, nicht weggehen. Mama vertraut mir nicht. Sie hat den Apfel weggesperrt, in einen runden Käfig aus Edelstahl, den sie Fruchtkorb nennt. Der Korb (das Gefängnis) sieht von allen Seiten ein wenig anders aus. Ein bisschen wie ein Planet. Ich drehe ein paar Runden um den Tisch, auf dem er steht – ich bin jetzt sein Mond. Ebbe und Flut: ich greife nach den Stäben und ziehe mich hastig wieder zurück. Will gierig den Draht auseinanderbiegen, den Apfel in meinen schuldigen Händen wiegen, der Versuchung nachgeben – mein Verlangen, so beschämend. Mama hat mir einmal aus der Bibel vorgelesen, einmal und nie wieder. Trotzdem weiß ich, dass ich Eva bin und der Apfel die Sünde (und die Versuchung so süß). Mamas Worte sind die von Gott, und die Gitterstäbe laden mich listig ein (greif herein, nimm, was dein). Ich atme dieselbe Luft, die auch die verbotene Frucht umgibt, mein Blick, der durch die Gitterstäbe dringt, fühlt sich verdorben an (ignoriert eine Grenze, genauso hungrig wie die Hände). Ich bin Eva und der Mond: meine Beherrschung Ebbe, mein Verlangen die Flut. Als ich das Zimmer (das Universum, das Paradies) verlasse, ist es still. Auf dem Tisch steht ein leerer Fruchtkorb, ein bisschen sieht er aus wie ein Planet.
Luzie Ada Welker, 21, Studentin
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