Dieser Text entstand im Rahmen des Museumsjubiläums 2024. Für das Projekt „150 Jahre 150 Objekte“ in der Sammlung Online wurden Leipzigerinnen und Leipziger nach ihrem Blick auf die Sammlung gefragt:

Bilder und Augenblickliches

Bilder können vieles sein. Doch davon werden die folgenden Zeilen nicht sprechen.
Worum es gehen soll, ist das, was Bilder erlauben, wenn man sie nicht wissenschaftlich erschließt. Sich auf Bilder einzulassen und ihre Wirkung zuzulassen, erfordert von einer angehenden Archäologin, die sich vorrangig analysierend mit antiken Bildwerken beschäftigt, eine Überwindung.
Die von Dora Kleemann (1926–2017) gefertigte Bildplatte lässt im Hintergrund ein blaugefasstes Fenster erkennen, auf das die im Vordergrund dargestellte weibliche Figur mithilfe eines angedeuteten Schulterblickes ihre Augen richtet. Ihr Kopf ruht leicht geneigt auf der rechten Hand des abgestützten Armes. Diese Geste und auch die angedeutete Körperhaltung erlauben, die Figur im Moment des – vielleicht sogar melancholischen – Sinnens zu erkennen: Der Blick aus dem Fenster ist der Blick in die Ferne ihrer Gedanken.
Doch es öffnet sich noch ein weiteres (Deutungs-)Fenster – dasjenige des Einblicks.
Sowohl die Form des Bildträgers als auch die Position der Sinnenden an einem fensterbrettähnlichen, schwarzgefärbten Feld im Vordergrund machen die Bildplatte zum Fenster.
Für einen Moment stehen sich zwei Betrachterinnen gegenüber.
Ich werde zur Sinnenden in der vom Rahmen separierten Außenwelt.
Sie ist das Mädchen an Fenstern.
Welchen Augenblick biete ich ihr?
Wenn wir uns erneut begegnen, wird es ein anderer sein.

Sarah Al Jarad, Doktorandin der Klassischen Archäologie