
© GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Leipzig.
Wandretabel (sogenannter Callenberger Altar)
Beteiligte
Peter Breuer Ausführung
Datierung
dat. 1512/1513 Ausführung
Geographischer Bezug
Zwickau, Sachsen Ausgabe
Material / Technik
Figuren: Linde, geschnitzt, gefasst, teilweise vergoldet; Schrein: Kiefer
Maße
Schrein 175 cm (Höhe)
Schrein 30,5 cm (Tiefe)
Schrein 156 cm (Breite)
je Flügel 175 cm (Höhe)
je Flügel 77 cm (Breite)
Signatur / Marke
Signiert auf dem linken Flügel hinter Petrus: "M 5 13 jar, / T". Auf dem rechten Flügel hinter Paulus: "M 5 / 12 ja / X / peter Bauer"
Erwerb
Mittelschrein: Ankauf von Gräfin Frida von Schönburg-Glauchau, 1901.
Flügel: Erworben 2016 von der Familie von Schönburg-Glauchau mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Freistaates Sachsen, Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (Sächsische Landesstelle für Museumswesen) und einer Spende von Helmut Schulze (Ehrenmitglied des Freundeskreises GRASSI Museum für Angewandte Kunst e.V.).
Ehemals Kirche in Callenberg/Sachsen.
Inventarnummer
1901.362 a-d
Standort
Ausstellung Antike bis Historismus > Raum 5 Spätgotik: Sakrale Schnitzplastik
Schlagwortkette
Christuskind; Gotik; Heilige; Krone; Madonna; Mittelalter; Mond; Rankenwerk; Skulptur
Sammlung
Europäisches Kunsthandwerk (Mittelalter bis Mitte 19. Jh.)
1323 hatte Papst Johannes XXII. der Katharinenkirche von Callenberg einen Ablass erteilt, der zahlreiche Menschen dorthin pilgern ließ. Die Kirche soll bis zur Reformation eine der reichsten in Sachsen gewesen sein. Davon zeugt heute noch der Altar, der von einem der bedeutendsten Bildschnitzer Sachsens, dem in Zwickau tätigen Peter Breuer und seiner Werkstatt, geschaffen wurde. Im Mittelschrein sind die Heilige Katharina, Maria mit dem Kind und die Heilige Margarete dargestellt. Thematisch findet man an dem in der Zeit aufkommender Glaubensverunsicherung gefertigten Retabel eine endzeitliche Symbolik: Maria wird mit Mondsichel und Strahlenkranz als Apokalyptisches Weib gezeigt, Schwert und Drache können auch als Verweis auf das Endgericht und das Böse verstanden werden. Die Flügel zeigen den hll. Petrus und Paulus, auf deren Machtbefugnis sich der Ablass gründete. Die Flügelrückseiten zeigen Szenen aus der Katharinenlegende. Linker Flügel: Die Bekehrung Katharinas zum Christentum (oben); das Martyrium Katharinas (unten). Rechter Flügel: Die Verbrennung heidnischer Gelehrter (oben); die Enthauptung Katharinas (unten).
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Dieser Text entstand im Rahmen des Museumsjubiläums 2024. Für das Projekt „150 Jahre 150 Objekte“ in der Sammlung Online wurden Leipzigerinnen und Leipziger nach ihrem Blick auf die Sammlung gefragt:
Mich fasziniert an diesem Retabel des Zwickauer Bildschnitzers Peter Breuer die Verschmelzung von Kunst und Handwerk. Im Mittelalter, zur Zeit der Entstehung des Retabels, galt die heutige Trennung der Kunst vom Handwerk nicht. Ihr Alter sieht man den Figuren in dem festlich vergoldeten Schrein nicht an. Die schwesterngleichen Gesichter der weiblichen Heiligen wirken durch die schräg herabgezogenen Augen trauerumflort; sie erinnern an die Leiden der Passion und des Martyriums. Ihre porzellanartige Fassung mit roten Wangen und kirschroten Mündern ist bis heute gut erhalten. Über kleine Gesten der Zuneigung hinaus, etwa zwischen der heiligen Katharina und dem lebendig bewegten Jesusknaben in Anspielung auf deren mystische Verlobung, ist es vor allem die ausgeklügelte Faltensprache der Gewänder, die den Figurenreigen miteinander agieren lässt. Während die geöffnete Festtagsseite im klassischen Farbklang von Gold, dunklerem Rot und Blau gehalten ist, unterstreichen auf den bemalten Flügelrückseiten die aufregenden Farben bis hin zu grellem Gelb die Dramatik der Lebenslegende der heiligen Katharina. Eingängig erzählt der Bildzyklus von Katharinas Bekehrung zum Christentum, ihrer missionarischen Überzeugungskraft und ihrem doppelten Martyrium. Dadurch wurde sie zu einer der ranghöchsten christlichen Heiligen und zur Nothelferin. Übrigens, Peter Breuer produzierte seine Altarretabel ganz im modernen Sinne seriell und arbeitsteilig und arbeitete wohl wie in einer heutigen ARGE mit Malern wie Hans Hesse zusammen. Dass es 2016 nach mehr als 150 Jahren gelang, Schrein und Flügel wieder zu vereinen, gehört für mich zu den Sternstunden dieser Objekthistorie.
Katja Margarethe Mieth, Direktorin der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen, Chemnitz