Die Schreinfiguren dieses Altars sind ein Meisterwerk Peter Breuers, sie zählen zum „schönsten, was die reife obersächsische Spätgotik in der Schnitzkunst hervorgebracht hat“ (E.-H. Lemper). Der Schrein beherbergt die Figuren der Muttergottes und die der Heiligen Nikolaus, Katharina, Barbara und Fabian. Die hoheitsvoll aufgerichtete, in die Ferne blickende Gottesmutter scheint schwebend zu schreiten. Der Mantel öffnet sich, umfängt mit seinen Staufalten den Halbmond zu ihren Füßen und gibt den Blick frei auf das in langen Falten herabfließende Kleid. Auf dem Haupt trägt sie eine Krone, unter der das Schleiertuch nach vorn vor den Körper schwingt. Es hinterfängt das lebhaft agierende Kind, das, den Reichsapfel haltend, in den Mantel der Mutter greift. Die Figuren der beiden heiligen Frauen Katharina von Alexandrien und Barbara sind in Haltung, Gestik und Gewandformationen auf die Mitte bezogen. Links außen im Schrein steht die Figur des heiligen Nikolaus. Das Haupt mit Mitra ist nach rechts geneigt, das Antlitz von Falten zerfurcht. Ähnlich der rechts außen stehende Fabian mit Tiara. Die blaue Rückwand des Schreins zieren Sternapplikationen und ein Vorhang mit roten, weißen und grünen Fransen. Scheibenförmige Nimben umgeben die Häupter. Der Altarschrein muss zu den kostbarsten Retabeln der Zwickauer Kirchen gehört haben. Schreinkasten und linker Flügel des Retabels gingen um 1945 verloren und wurden aufwändig rekonstruiert, um den original erhaltenen Teilen Kontext und Balance zurückzugeben.

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Dieser Text entstand im Rahmen des Museumsjubiläums 2024. Für das Projekt „150 Jahre 150 Objekte“ in der Sammlung Online wurden Leipzigerinnen und Leipziger nach ihrem Blick auf die Sammlung gefragt:

Sie stehen im Schrein des Zwickauer Retabels, die Heiligen Barbara, Katharina, Nikolaus, Fabian und die Muttergottes mit dem Jesusknaben. Seit Studientagen faszinieren sie mich. Sie nehmen wohl jeden gefangen, der sich mit ihnen einlässt: die hoheitsvoll, fast schwebend schreitende, in die Ferne blickende Marienfigur, die beiden heiligen Frauen, die ihre modischen Kleider selbstbewusst unter geöffneten Mänteln zur Schau tragen; lieblich die Gesichter mit feinem Inkarnat. Zierlich-elegant präsentieren die Frauen Buch und Kelch. Dann die Figuren von Nikolaus und Fabian mit Gesichtern, die in empfindsam gezeichneten Linien durchlebtes Alter anzeigen. Sie alle bilden eine Gemeinschaft und sind doch so unterschiedliche Individualitäten. Dieser Dualismus von Gemeinsamkeit und Verschiedenheit, der sich im Zusammenklang der Figuren mit den Flügelmalereien noch potenziert, macht jenseits aller Fragen nach Herkunft und Urheberschaft die Faszination dieses Retabels aus. Es ist die Faszination, die den Kosmos künstlerischen Schaffens im ausgehenden Mittelalter spiegelt: Er speist sich aus tiefreligiösem Empfinden und weltlichem Tun, aus Austausch und Innovation und aus der Einheit von Kunst und Handwerk.

Prof. Dr. Katharina Flügel, Kunsthistorikerin