Der Bestand des Museums an Fayencen ist außergewöhnlich umfangreich und qualitativ herausragend. Seit der Eröffnung des Museums im Jahre 1874 wurden Fayencen kontinuierlich gesammelt, sodass die Kollektion heute ungefähr 540 Geschirre und ca. 145 Fliesen nahezu aller bedeutenden Manufakturen umfasst. Seit dem 17. Jahrhundert waren Fayencen äußerst begehrt. Sie gehörten sowohl beim Adel als auch beim gehobenen Bürgertum zum festen Bestandteil einer exklusiven Innenraumausstattung. Vermögende Bürger und Aristokraten bestellten große Deckelvasen und Prunkgefäße, repräsentative, teilweise mit den Familienwappen bemalte Service oder einfache Gebrauchsgeschirre. Mit der Fayence versuchte man, das kostbare chinesische Porzellan, das von der 1602 gegründeten „Vereenigden Oostindischen Compagnie“ („VOC“) nach Europa importiert wurde, in Form und Bemalung möglichst exakt nachzuahmen. Diese Wirkung erreichte man durch einen kobaltblauen Dekor auf einer weiß deckenden Zinnglasur. Die oft aufwändig gearbeiteten Kunstwerke sind bis heute Belege einer der ideenreichsten Epochen der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte. Sie reflektieren die Lebensformen des 18. Jahrhunderts in ihrer großen Komplexität und ihrem ganzen Reichtum und offenbaren zugleich gesellschaftliche Verhältnisse, repräsentative Ansprüche und zeittypische Sitten. Zur Geschichte der FayenceDie ersten Fayencen wurden wahrscheinlich im 9. Jahrhundert in Samarra (Mesopotamien, heute Irak) hergestellt. Häufig wurden Fayencen sowohl in Ägypten, als auch in China und Indien vorzugsweise im architektonischen Zusammenhang verwendet. Es ist wahrscheinlich, dass die Erfindung der Zinnglasur unabhängig voneinander in verschiedenen Kulturbereichen erfolgte. Durch die rasche Ausbreitung des Islam fand die Fayence häufig in der Fliesenproduktion Anwendung. Bei Geschirren versuchte man, das seltene ostasiatische Porzellan nachzuahmen.Osmanen brachten im 14. Jahrhundert Fayencen aus dem Nahen Osten in das von ihnen besetzte Spanien mit. Die ersten Herstellungszentren auf europäischem Boden entstanden hier u. a. in Malaga, Valencia und Menises. Von dort wurden die Erzeugnisse nach Italien und Frankreich exportiert, wobei die Insel Mallorca als Umschlagplatz diente. Von dem spanischen Produktionsort Malaga oder der Handelsstation Mallorca leitet sich der Name „Majolika“ ab. Hauptorte der Fayenceherstellung in Italien waren die Städte Faenza und Urbino, die in großer Zahl Majoliken nach Frankreich und die Niederlande ausführten. In Frankreich bezeichnete man diese Keramiken nach dem bedeutenden Produktionsort Faenza als „Fayencen“. Dieser Begriff wurde im Laufe der Zeit auch von anderen Ländern übernommen.Zur Technik der FayenceherstellungDer Rohton wird zur Reinigung zuerst geschlämmt und gesiebt, um die Masse von den groben Bestandteilen zu befreien. Danach wird er getrocknet, geknetet und anschließend längere Zeit gelagert. Die Formgebung ist durch Drehen oder Formen, nicht jedoch durch Gießen üblich. Nach dem Trocknen wird der Glüh- oder Schrühbrand bei einer Temperatur zwischen 900°C und 1000°C durchgeführt. Der geschrühte Gegenstand wird danach durch Tauchen oder Begießen mit der weiß deckenden Zinnglasur versehen. Nach dem Trocknen der Glasur werden die Scharffeuerfarben auf Metalloxidbasis aufgetragen. Ihre endgültige Konsistenz und ihre leuchtende Farbigkeit erhalten diese Farben erst in einem erneuten Brand bei Temperaturen zwischen 950°C und 1050°C. Dabei sinken die Farben in die Glasur ein und verschmelzen unlöslich mit ihr (Inglasurmalerei). Bei der Aufglasurmalerei werden die Farben auf die schon gebrannte Glasur aufgetragen. Sie werden bei einem dritten Brand zwischen 500°C und 820°C auf die Glasur aufgeschmolzen. Darüber hinaus gab es die selten angewandte „kalte“ Bemalung, bei der die Fayence mit Lack- oder Ölfarben bemalt wurde.
1 Paar Balustervasenum 1710
Fayence, Scherben ockerfarben, Glasur weiß, Inglasurbemalung in Blau
1 Paar Obeliskenum 1730/1740
Fayence, Scherben ockerfarben, Glasur weiß, Inglasurbemalung in Kobaltblau
2 PlattenPeriode Paul Hannong, um 1754/1760
Fayence. a) Scherben sandfarben, Glasur weiß, Aufglasurbemalung in Purpur, Grün, Blau, Gelb und Braun b) Scherben sandfarben, Glasur weiß, Aufglasurbemalung in Purpur, Grün, Blau, Gelb, Violett und Braun
4 Fliesen1750 - 1800
Fayence, Scherben sandfarben, Glasur weiß, Inglasurbemalung in Manganviolett
4 Fliesen2. Hälfte 18. Jahrhundert
4 Fliesen19. Jahrhundert (?)
Fayence, Scherben ockerfarben, Glasur weiß, Inglasurbemalung in Gelb, Blau, Grün, Rot und Manganviolett
4 KachelnMitte 18. Jahrhundert
5 Fliesen2. Hälfte 18. Jahrhundert
8 Fliesen18. Jahrhundert
8 Musterfliesen in Rahmen18./19. Jahrhundert
Fayence, Scherben ockerfarben, Glasur weiß, Inglasurbemalung in Manganviolett
Albarelloum 1720/1730
Albarello (Apothekergefäß)um 1700
Fayence, Scherben sandfarben, Glasur hellgrau-weiß, Inglasurbemalung in Blau
Anbietplatte (Présentoir)um 1754 - 1760
Fayence, Scherben ockerfarben, Glasur weiß, Aufglasurbemalung in Purpurrot, Grün, Blau, Gelb und Schwarz
Apothekengefäß1718 (Periode Eggebrecht)
Fayence, Scherben hell-ockerfarben, Glasur hellgrau-bläulich, Inglasurbemalung in Kobaltblau
Apothekengefäßum 1670/1680